Auf Social Media ist oft die Rede davon, Coaches und Influencerinnen teilen ihr angebliches Wissen. Doch was bedeuten zyklusgerechtes Training, zyklusgerechte Ernährung und zyklusgerechtes Arbeiten für Menstruierende?
"Cycle Syncing", mittlerweile ein Trendwort, beschreibt eine Methode oder Philosophie, durch die Menstruierende besser mit ihrem Zyklus zurechtkommen sollen.
Grundlegende Idee ist, dass die unterschiedlichen Phasen des Menstruationszyklus berücksichtigt werden sollen. Menstruierende profitieren demnach davon, wenn sie etwa Arbeit, Ernährung, Sport oder ihr Sozialleben danach ausrichten. DW Faktencheck hat drei Behauptungen dazu überprüft.
Anders essen je nach Zyklusphase?
Behauptung: In diesem TikTok-Video mit fast einer Million Views heißt es: "Für eine optimale Gesundheit als Menstruierende musst du dich in jeder Woche anders ernähren". So bräuchten Menstruierende in der Follikelphase etwa leichtes, buntes Essen, in der Lutealphase mehr Kalorien. Mit einer zyklischen Ernährung könne man unter anderem PMS (Prämenstruelles Syndrom) vorbeugen. Es zirkulieren viele Posts mit ähnlichen Aussagen.
DW Faktencheck: Unbelegt
Tatsächlich können Menstruierende, laut Experten, mit der richtigen Ernährung etwa die Fruchtbarkeit erhöhen oder negative Begleiterscheinungen verringern. Denn der Menstruationszyklus wird von Hormonen gesteuert und unsere Nahrung beeinflusst diese. "Wir müssen sicherstellen, dass wir das essen, was unser Körper braucht, um Hormone zu produzieren, sie im Körper zu transportieren und sie wieder abzubauen", erklärt die britische Ernährungswissenschaftlerin Beth Hughes im DW-Gespräch.
Vor allem gute Fette, Proteine, Vitamine und Mineralstoffe seien wichtig für die Bildung verschiedener Hormone. Deshalb mache es tatsächlich Sinn, viel buntes Gemüse zu essen, so die Expertin. Laut einer in der Cambridge University Press veröffentlichten Metastudie
gibt es Hinweise, dass Curcumin, Vitamin D, Magnesium und Zink unerwünschte zyklusbedingte Symptome lindern könnten.
Eine andere Frage ist jedoch, ob die Ernährung sich ändern sollte je nachdem, in welcher Zyklusphase sich eine menstruierende Person befindet. Während dies wie im obigen TikTok-Video zwar vielfach behauptet wird, ist die Forschungslage dazu in Wirklichkeit sehr dünn, wie auch Beth Hughes bestätigt: "Es geht mehr darum, konsequent auf die richtige Nahrung für einen gesunden Menstruationszyklus zu achten, anstatt zu sagen, an dem einen Tag braucht man dieses und an dem anderen jenes."
Die US-amerikanische Ernährungsberaterin Tracy Lockwood Beckerman ist gegenüber der Idee, die Ernährung den Phasen des Zyklus anzupassen, aufgeschlossener. Allerdings schränkt auch sie ein: Lebensmittel könnten zwar den Menstruationszyklus unterstützen, aber seien nie eine Garantie, "dass dadurch die Symptome vollständig verhindert oder behandelt werden können".
Auch die Aussage, dass der Körper in der Lutealphase mehr Kalorien brauche, ist in ihrer Absolutheit nicht korrekt. Hughes zufolge zeigen die meisten Studien lediglich, dass Menstruierende in dieser Phase faktisch mehr Kalorien zu sich nehmen - aber nicht, warum das so ist. Eine in der Fachzeitschrift PLOS ONE veröffentlichte Metastudie
beobachtet, dass die Studienergebnisse recht heterogen sind, wenn es darum geht, wie sich der Menstruationszyklus auf die Stoffwechselrate im Ruhezustand (RMR) auswirkt. Die teils in der Lutealphase festgestellte Erhöhung der Stoffwechselrate sei überdies nur minimal.
Die eingangs erwähnte in der Cambridge University Press veröffentlichte Studie fasst zusammen, dass die Studienlage bezüglich Ernährung und Menstruationszyklus uneinheitlich sei. Es sei empfehlenswert, die "Ernährung an die individuellen Symptome und die Präferenzen der Betroffenen anzupassen".
Gehaltsverhandlungen am besten rund um den Eisprung?
Behauptung: Laut diesem Instagram-Post von "Zykluscoach" Jessie Roch sollen Menstruierende Kundentermine oder Gehaltsverhandlungen in die Eisprung-Phase legen, in der sie besonders kommunikativ seien - und die Lutealphase nutzen, um etwa Zahlen zu analysieren und alles kritisch zu hinterfragen. In anderen Social-Media-Posts klingt es ähnlich. Macht es wirklich Sinn, "die Stärken jeder Zyklusphase" derart im Berufsleben zu berücksichtigen?
DW Faktencheck: Irreführend
Auch wenn unser Gehirn durch den Zyklus beeinflusst wird, hält Gynäkologin und Sexualtherapeutin Johanna Janku
die Behauptungen für weit hergeholt. "Das sind Aussagen, die ich nicht vertreten kann und die ich gefährlich finde."
Durch solche Verallgemeinerungen bekämen Menstruierende den Eindruck, dass sie automatisch in der Lutealphase weniger kommunikativ seien. Das könne die Selbstwahrnehmung verzerren und eher einschränkend als befreiend wirken.
In dem Instagram-Post heißt es, der Anstieg von Östrogen in der Follikelphase sorge für mehr Kreativität und Kommunikativität. Mehr Progesteron sei dann in der Lutealphase dafür verantwortlich, dass man Sachen kritischer hinterfrage.
Dass in der Follikelphase Östrogen der Hauptakteur ist und in der Lutealphase Progesteron, ist grundsätzlich korrekt. Und Progesteron könne zu mehr Müdigkeit
und verminderter Leistungsfähigkeit sowie zu mehr Anspannung und Reizbarkeit führen, erklärt Janku. Mitunter komme es auch zu Wassereinlagerungen, einige Frauen könnten sich schlechter in der Lutealphase konzentrieren.
Fraglich ist aber der in dem Post hergestellte Zusammenhang zu Kreativität und Kommunikativität. Laut der Ärztin gibt die Studienlage nicht her, dass man in der Follikelphase kreativer und kommunikativer sei und in der Lutealphase analytischer denke. "Insgesamt ist mein Eindruck, dass vieles falsch zusammengewürfelt und überinterpretiert wurde."
Besser kein Sport während der Periode?
Behauptung: "Die Periode ist eine Zeit zum Ausruhen, der Körper geht schon durch so vieles und du solltest ihn nicht zusätzlich stressen", erzählt Gesundheits- und Wellness-TikTokerin elynnestelle in einem ihrer Videos zu zyklusorientiertem Leben mit über 140.000 Views. Sie selbst habe außer Spaziergängen und Stretching komplett damit aufgehört, während der Periode zu trainieren - und gemerkt, dass es ihr damit viel besser gehe.
DW Faktencheck: Falsch
Laut Sportmedizinerin Petra Platen ist für zyklusorientiertes Training "die wissenschaftliche Evidenz, also die Studienlage und der Erkenntnisgewinn, mit dem wir Empfehlungen geben können, immer noch vergleichsweise schlecht". Zu unterscheiden sei zudem zwischen Leistungsfähigkeit und Trainierbarkeit im Verlauf des Menstruationszyklus - was viele nicht täten. Letztere sei noch weniger erforscht.
Aber es gebe Studien, laut denen eine moderate körperliche Aktivität die Symptomatiken von PMS (Prämenstruelles Syndrom) und Menstruationsbeschwerden bessern könnten, so Platen, die an der Ruhr-Universität Bochum erforscht, wie sich der Zyklus auf die Leistung von Sportlerinnen auswirkt.
Zwar sei die körperliche Leistungsfähigkeit tendenziell während der Menstruation am schlechtesten. "Aber warum man in dieser Phase gar keinen Sport treiben soll, verschließt sich mir", sagt Platen. Wenn die Schmerzen etwa nicht so stark seien, dass man sich ins Bett legen müsse, empfiehlt die Expertin, weiterhin körperlich aktiv zu sein und den Sport weiterzumachen, der einem Spaß mache, der entspanne und den man auch sonst mache.
Fazit: Der Zyklus kann das körperliche und mentale Wohlbefinden mitunter stark beeinflussen. Viele Menstruierende fühlen sich etwa je nach Zyklusphase zum Beispiel mehr oder weniger energiegeladen oder haben Verdauungsprobleme. Um sich selbst besser zu verstehen, kann es von Vorteil sein, den eigenen Zyklus im Blick zu haben.
Allerdings sind generalisierte Tipps, was in welcher Phase genau zu machen sei, fehl am Platz. "Denn der Menstruationszyklus ist enorm variabel, und zwar vor allen Dingen von Frau zu Frau, aber auch von Mal zu Mal", sagt etwa Petra Platen.
Viele der Aussagen in den sozialen Medien zu zyklusorientierter Ernährung, zyklusorientiertem Training und zyklusorientiertem Arbeiten sind unzureichend oder gar nicht belegt - es gibt noch viel Forschungsbedarf. Für Menstruierende, die hormonell z.B. mit der Pille verhüten, gilt übrigens ohnehin vieles nicht, da deren körpereigener Zyklus unterdrückt ist.
Artikel von Ines Eisele Faktencheckerin, Redakteurin und Autorin Deutsche Welle
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